Wer der Menschenmassen und des Lärms am Markusplatz überdrüssig ist oder eine Alternative zum überlaufenen Campanile sucht, der sollte einen Besuch auf der kleinen Insel San Giorgio Maggiore erwägen. Nur einen Wasserbus-Stop entfernt findet man hier auf engem Raum einige der schönsten Kleinode Venedigs und geniesst auf dem Glockenturm der Basilika einen einzigartigen Ausblick auf die Stadt und ihre Lagune.
Aus der Vergangenheit
Auf der nur 10 ha großen Insel wurde schon im Jahr 982 ein Benediktinerkloster gegründet. Durch die Überführung der Reliquien des Heiligen Stephanus aus Konstantinopel 1109 entwickelte sich das Kloster zu einem der bedeutendsten Pilgerziele des Mittelalters. San Giorgio Maggiore florierte und so wurde Andrea Palladio 1565 mit dem Neubau der Kirche beauftragt. Die Fassade wurde erst 1610 nach Palladios Tod exakt nach seinen Plänen fertiggestellt und bildet seitdem einen perfekten architektonischen Abschluss des Bacino di San Marco zum Meer hin.
Ein einzigartiges Zwischenspiel erlebte die Insel im Jahre 1799. Papst Pius VI. starb in französischer Gefangenschaft, Napoleon beherrschte halb Europa inklusive des römischen Kirchenstaates. So waren die Kardinäle gezwungen, in das damals österreichisch besetzte Venedig auszuweichen. Das Konklave fand in der Cappella Superiore des Klosters San Giorgio statt, nach über 100 Tagen stieg endlich weißer Rauch auf und der neugewählte Papst Pius VII. spendete den wenigen Zuschauern von einem kleinen Fenster der "Sala grande" aus seinen Segen "Urbi et orbi". Ab 1815 wurde das weitläufige Klosterareal als Kaserne benutzt und erst 1951 nach dem Erwerb durch die Fondazione Cini revitalisiert, dessen verschiedene Institute sich der Geschichte und Kultur Venedigs widmen.
Leider ist nur ein kleiner Teil des Klosters und der Gärten zu besichtigen, was aber niemanden vom Besuch der Insel abhalten sollte.
Basilica San Giorgio Maggiore
Andrea Palladios Werk ist ein Meilenstein der Architektur. Die Frontseite der Kirche aus istrischen Marmor ist einer römischen Tempelfassade nachempfunden, klar gegliedert durch die mächtigen Säulen mit ihren frei stehenden Skulpturen. Hinter dem monumentalen Tor öffnet sich ein streng symmetrisch gegliederter Innenraum. Die großzügigen Dimensionen der kreuzförmigen Basilika mit ihrer Kuppel über der Vierung werden durch das weiße Tonnengewölbe noch verstärkt, die Kirche wirkt für ihre Zeit extrem hell und ähnelt in manchen Facetten dem Florentiner Dom von Brunelleschi.
Einzigartig ist der Marmorboden im Inneren, der geradezu dreidimensional wirkt und Farbe in den Innenraum bringt. Neben dem kunstvoll geschnitzten Chorgestühl verdienen auch zwei Gemälde von Jacobo Tintoretto besondere Beachtung. Die "Anbetung der Hirten" und vor allem das in seinem Todesjahr 1594 entstandene "Abendmahl" mit seinen raffinierten Lichteffekten zeigen den Meister im Zenit seines Schaffens.
Lichtspiele anderer Art kann man vom Vorplatz der Basilika geniessen. Die Sonnenuntergänge über der Giudecca und der perfekte Ausblick auf Dogenpalast und St. Markus lassen das Herz jedes Fotografen schneller schlagen . . .