Skip to main navigation Skip to main content Skip to page footer

Markuslöwe und Doppeladler

. . . als Venedig österreichisch war

Das österreichische Intermezzo

Nur wenige der vielen Österreicher, die Jahr für Jahr der Lagunenstadt einen Besuch abstatten, sind sich bewusst, dass Venedig über einige Jahrzehnte Teil der Habsburgermonarchie war. Von 1797 bis 1805 und wieder von 1815 bis 1866 herrscht der Doppeladler über den Markuslöwen. Im Zuge der Napoleonischen Kriege erhält Österreich als Ausgleich für andere verloren gegangene Gebiete das von Napoleon eroberte Veneto. Die Serenissima sinkt nach sieben glanzvollen Jahrhunderten voll Pracht, Reichtum und Einfluss vom Zentrum einer europäischen Großmacht zur Provinzhauptstadt herab.

Napoleon zeigt in den Jahren seiner Herrschaft (1805 bis 1814) wenig Respekt vor den Traditionen Venedigs. Er erlässt unzählige, zum Teil widersprüchliche  Gesetze und Verordnungen, mehr als hundert Kirchen und Klöster werden aufgelassen, die darin befindlichen Kunstschätze zerstört oder verschleudert. Der Bucintoro, das Prunkschiff der Dogen, wird verbrannt, die Quadriga befindet sich bald nebst unzähligen anderen Kunstwerken auf dem Weg nach Paris. Auch der Markusplatz missfällt dem Eroberer. Er befiehlt, die Kirche von San Geminiano zu schleifen und gibt dem Platz mit der Errichtung des Napoleonischen Traktes seine heutige Gestalt.

Es braucht nicht zu wundern, dass die Venezianer in der Rückkehr der Österreicher 1815 das kleinere Übel sehen. Bis 1848 gibt es ein leidliches Auskommen von Besetzten und Besatzern, die Österreicher erreichen die Rückgabe eines großen Teils der von den Franzosen geraubten Kunstschätze, fördern durch den Ausbau der Infrastruktur Handel und Wirtschaft, auch der Tourismus floriert. Vielleicht ist es der Respekt der Habsburger vor der glorreichen Vergangenheit Venedigs, die Erinnerung an Jahrhunderte lange ebenbürtige Nachbarschaft, was die Fremdherrschaft verhältnismäßig mild ausfallen lässt. Nur die sogenannten “Carbonari” konspirieren in den Hinterzimmern der Kaffeehäuser gegen die Fremdherrschaft und drängen auf die Einheit Italiens.

Eine unerwiderte Zuneigung

1848 wendet sich das Blatt. Der Funke der Revolution beendet abrupt die Metternich’sche Ära, auch in Venedig erhebt sich das Volk unter der Führung von Daniele Manin, nach kurzem Geplänkel werden die Österreicher vertrieben, am 23. März wird die neue Republik ausgerufen. 17 Monate währt sie, dann, geschwächt durch Hunger und Cholera, nach den Siegen Feldmarschall Radetzkys in Oberitalien allein kämpfend, muss sie sich ergeben. 

Ein Kuriosum am Rande: Anlässlich der Belagerung Venedigs erfindet Österreichs Heer die Luftbombe. Ein gewisser Leutnant Uchatius konstruiert eine Kombination aus Heissluftballon und Sprengsatz, die bei günstigem Wind über die eingeschlossene Stadt treibt – zum Glück fliegen die meisten Ballons Richtung Meer und richten so keinen Schaden an.

Die alte Ordnung ist wieder hergestellt, aber die Venezianer zeigen den Besatzern nun offen ihre Ablehnung. Man geht sich aus dem Weg, im Café Florian trifft sich die feine venezianische Gesellschaft, auf der anderen Seite des Markusplatzes im Café Quadri genießt das österreichische Offizierskorps die konsumentenfreundlichen Öffnungszeiten – manche der damals schon sehr beliebten Kaffeehäuser haben nämlich rund um die Uhr geöffnet.
 

Bezeichnend für die Ablehnung der Venezianer ist ihre Absenz bei den sonntäglichen Konzerten der k.u.k. Militärmusik auf der Piazza San Marco. Die österreichischen Militärkapellen haben, im Gegensatz zu anderen Truppengattungen, den Ruf ausgezeichneter Qualität, sie werden oft von bekannten Komponisten dirigiert und besitzen neben Militärmärschen ein breitgefächertes Repertoire – Walzer, Opernpotpourris und vieles mehr. Obwohl die Venezianer seit je her musikliebend sind, man denke nur an die vielen aus Venedig stammenden Komponisten wie z.B. Vivaldi,  finden sich zu den Militärkonzerten kaum einheimische Zuhörer ein. Nebenbei, einer der wenigen Zuhörer ist Richard Wagner, der sich während des ersten seiner vielen Venedig-Aufenthalte begeistert von den Musikdarbietungen zeigt.

Der Doppeladler nimmt Abschied

Lange dauert dieser “Kalte Krieg” nicht, 1866 müssen die Österreicher auf Grund der Niederlage gegen Preußen trotz eigener militärischer Erfolge auf dem italienischen Kriegsschauplatz das Veneto dem neugegründeten Königreich Italien abtreten. 

Viel erinnert nicht mehr an Österreichs Herrschaft, am augenfälligsten noch die Eisenbahnbrücke von Mestre nach Venedig, die dem Insel-Dasein Venedigs ein Ende bereitete. Manchmal findet sich noch versteckt ein steinerner Doppeladler, an der Riva degli Schiavoni kann man zwei mächtigen Ankern begegnen, erbeutet von der k.u.k. Kriegsmarine. Eine eher makabres Souvenir ist jene Gedenktafel vor der Markuskirche, die an die Bombardierung Venedigs im Jahre 1916 durch die österreichische Luftwaffe erinnert, diese blieb Gott sei Dank wenig erfolgreich.

Venedigs Beliebtheit bei österreichischen Touristen ist ungebrochen, die neuzeitlichen Invasoren sind nun mit Koffer und Reiseführer bewaffnet. Vielleicht regen diese Zeilen einige von ihnen an, bei einem Cappuccino, etwa am Campo Bella Vienna nahe Rialto, der gemeinsamen Vergangenheit zu gedenken… 

Bon di, Venezia!

(Bon di = Begrüßung im alten, heute noch gesprochenen Dialekt der Venezianer, dem “Venexian”)