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Il Museo dell Settecento

Venedig kann als größtes Museum der Welt bezeichnet werden, und es dürfte nicht mehr lange dauern, bis zumindest Tagestouristen für den Eintritt in die Stadt bezahlen müssen (Anm. des Verfassers: Dieser Text wurde 2017 verfasst). Venedig ist aber auch eine Stadt der Museen - „www.turismovenezia.it“ listet 38 Museen auf, so viele pro Einwohner wie nirgendwo auf der Welt. 

Daher ist es eigentlich verwunderlich, dass es kein „Museo del Carnevale“ gibt. Ist doch der Karneval bald 1000 Jahre alt und seit Jahrhunderten eine der Hauptattraktionen der Serenissima. Es gibt unzählige Berichte über ihn, zahlreiche Spuren in Literatur und Malerei. Letztere kann man am besten im „Museo del Settecento“ im Ca Rezzonico besichtigen, dessen Sammlung einen tiefen Einblick in Venedigs Geschichte und die des Karnevals gewährt.

Besonders die Genremalerei von Pietro Longhi (1702-1785) zeigt viele Facetten des venezianischen Gesellschaftslebens. Mit großer Detailtreue lässt uns Longhi in das Venedig des 18. Jahrhunderts blicken, auf seine Menschen, Feste und den Alltag in der Stadt. Und natürlich auf den Karneval, der damals schon Besucher aus ganz Europa anzog. Über 30.000 Menschen strömten nach Venedig, eine für das 18. Jahrhundert und angesichts der beschwerlichen Anreise unglaubliche Zahl. Für diese Besucher entwickelte sich eine umfangreiche Tourismusindustrie. Bälle jeder Art, Theateraufführungen, Spielcasinos und die weltweit höchste Dichte an Kurtisanen lockten den europäischen Adel, dazu kam die Anonymität, da Einheimische und Fremde über weite Teile des Jahres  Masken trugen.

Eines der bekanntesten Gemälde Longhi's zeigt Clara, ein Panzernashorn, welches 1751 Hauptattraktion des Karnevals war. Die Person mit dem Horn in der Hand stellt den niederländischen Kaufmann Van der Meer dar, der Clara als Jungtier aus Bengalen importierte und mit ihr fast 20 Jahre durch Europas Jahrmärkte und Fürstenhöfe tingelte.

Ein anderes Werk Longhi‘s zeigt das Treiben im „Ridotto“, dem damals berühmtesten Spielcasino Venedigs in der Calle Vallaresso. In den meisten Ländern Europas war das Glücksspiel untersagt, umso größer war der Andrang in den unzähligen venezianischen Casinos. Viele Nobili lebten von der Vermietung ihrer Palazzi, niedrige Adelige verdingten sich als Bankhalter und Croupiers. Für die meist „Pharao“ spielenden Damen und Herren waren Dreispitz und Bautta Pflicht, nur die Bankhalter blieben maskenlos, erkennbar an ihrer schwarzen Toga und weissen Perücke. Nacht für Nacht wechselten tausende Zechinen ihren Besitzer, Spielschulden waren zwar nicht einklagbar, trotzdem herrschte große Zahlungsmoral. Bankrotte Spieler mussten ihr Inkognito lüften und am nächsten Tag beim Maestro des Ridotto ihre Schulden zahlen oder ein Pfand in Form von Schmuck oder Ähnlichem deponieren.

Bei genauer Betrachtung dieser beiden Gemälde im Museo del Settecento fällt eine ovale schwarze Damenmaske auf - die sogenannte Moretta. Wahrscheinlich eine Erfindung eines „geplagten“ Gatten, denn wer die Moretta trug, musste schweigen. Sie konnte nur mittels eines an der Maskenhinterseite angebrachten Knopfes mit den Zähnen festgehalten werden und machte so das Sprechen unmöglich.

Die „Commedia dell‘Arte“ wurde von Carlo Goldoni im 18. Jahrhundert in Venedig perfektioniert, sie ist seither ein untrennbarer Bestandteil des Karnevals. Erstmals durften dabei Frauen im Theater auftreten. Dieses Bild von Giandomenico Tiepolo entstand 1790 und zeigt den gefräßigen, langnasigen Drückeberger Pulcinella mit Theaterakrobaten am Markusplatz - eine Darbietung, die man auch noch im heutigen Carnevale di Venezia genießen kann und hoffentlich noch viele Jahre mehr!


 

Heute ist Venedig als Stadt der romantischen Liebe bekannt, im alten Karneval florierte eher die käufliche Liebe und zog spendable Interessenten aus ganz Europa an. Um 1600 gab es sogar einen Katalog der berühmtesten und schönsten Kurtisanen der Stadt, welcher die Qualitäten der über 1000 darin genannten Damen anpries. 

Davon zeugt heute noch die „Ponte delle Tette“ (Brücke der Brüste) im Rialtoviertel. Der Name zeugt von altem Konsumentenschutz und Konkurrenzkampf: Die Frauen posierten auf der Brücke „oben ohne“, um sich und ihre Kunden vor unlauterer Konkurrenz zu schützen.

Piazza San Marco

Die Einzigartigkeit der Piazza San Marco wird betont, indem alle anderen Plätze Venedigs als „Campo“ oder „Campiello“ bezeichnet werden. Der Markusplatz ist seit vielen Jahrhunderten das Zentrum des Karnevals und auf etlichen Bildern im Museo del Settecento dokumentiert worden. Hier sehen wir ein Gemälde von Giovanni Antonio Canal (1697–1768). Unter seinem Künstlernamen Canaletto schuf dieser Maler unzählige Ansichten von Venedig, die beinahe fotografisch exakt sind. Dazu benutzte er eine Camera obscura, die eine sehr genaue Präzision der Bilddarstellung ermöglichte.

Viele Details von Canalettos Bildern können heute noch eins zu eins betrachtet werden, weil Venedig sich in den letzten Jahrhunderten kaum verändert hat. Gerade deshalb ist dieses Bild historisch interessant, da es den Markusplatz noch in seiner alten Bodengestaltung zeigt. Bis 1722 war er, ähnlich dem Campo in Siena, mit einem fischgrätartig verlegten Ziegelpflaster bedeckt. Hier sieht man die Vorbereitungen zur Neupflasterung mit Trachyt nach dem Entwurf von Andrea Tirali. Dem dunkleren Untergrund wurde ein helleres geometrisches Muster beigegeben, das den Platz bis heute länger erscheinen lässt. 

Rund um den Campanile sieht man die Stände der Weinhändler, die den Schatten zum Kühlhalten des Weines nutzten. Daraus entstand der venezianische Spruch “Andemo bèver un’ombra”. Heute noch gehen Venezianer in die Bacari, um ihren „Ombra“, ein Gläschen Wein zu genießen.

Manch eine der abgebildeten Personen mag wohl aus dem Caffé Florian gekommen sein, dem 1683 eröffneten ältesten Kaffeehaus der Welt, dessen Eingang rechts unter den Kolonnaden liegt.