Il Palazzo Ducale
Der Dogenpalast – majestätisches Zentrum der einstigen Weltmacht
Bereits im 9. Jahrhundert wurde an der Stelle des heutigen Dogenpalastes ein hölzernes Wehrkastell zum Schutz der neuen Inselsiedlung errichtet. Nach mehreren Bränden und nachfolgenden Erweiterungen fasste die Serenissima im Jahre 1340 den Beschluss, einen repräsentativen Regierungssitz für den Dogen zu errichten. In den folgenden 100 Jahren entstand dann dieses Glanzwerk gotischer Baukunst, eine prachtvolle Selbstdarstellung der venezianischen Großmacht in ihrer höchsten Blüte.
Dass wir diesen Bau auch heute noch fast unverändert bewundern können, verdanken wir einer Art mittelalterlichem Denkmalschutz: 1577 verwüstete ein Großbrand weite Teile des Dogenpalastes. Die meisten der zugezogenen Architekten, unter ihnen Andrea Palladio, sprachen sich für einen Renaissance-Neubau aus. Der regierende Rat der Hundert sprach sich jedoch für den Wiederaufbau in ursprünglicher Form aus. Dies nicht nur aus ästethischen Gründen, sondern um in einer Zeit des langsamen Niedergangs daran zu erinnern, dass Venedig zur Zeit der Palasterbauung die führende Weltmacht war.
Auch heute noch sind unzählige Besucher von der Leichtigkeit des riesigen, in weissem und rosa Marmor gehaltenen und mit unzähligen Dekorationen verzierten Palastes überwältigt. Den Baumeistern gelang eine Umkehrung der Statik – zwei Bogenhallen tragen eine massive, nur durch wenige Fenster durchbrochene Mauermasse. Vom Meer kommend entsteht ein Eindruck von schwereloser Monumentalität, der sich in den vielen Räumen und Sälen des Palastes fortsetzt.
Whistleblowing im Mittelalter
Eines der Macht-instrumente des „Rates der Zehn“ waren die „Boche di Leone“, die als Beschwerdebriefkästen der Aufnahme von schriftlichen Anzeigen und Beschwerden an die Staatsorga-ne dienten.
Diese Briefkästen waren über die ganze Stadt verteilt, besonders aber am und um den Dogenpalast zu finden. Die Geheimhaltung der Anzeigen wurde garantiert, anonyme Anzeigen wurden vernichtet. Lediglich bei schwerwiegenden anonymen Anschuldigungen wurden Ausnahmen gemacht, wobei eine genaue Prüfung vorgeschrieben war. Einerseits war so dem Denunziantentum Tür und Tor geöffnet, andererseits konnte sich auch kein Übeltäter sicher fühlen – eben eine frühe Art des Whistleblowings.
Klein, aber gar nicht fein . . .
. . . waren die Gefängnisse des Dogenpalastes. Die 25 Zellen wurden ausschließlich von Staatsgefangenen und Hochverrätern belegt, deren Überlebenszeit im Gefängnis sehr beschränkt war.
Im Erdgeschoss befinden sich 19 „Pozzi“, 1531 im Zuge eines Palastumbaus angelegt. Türen und Luftschächte öffnen sich nur auf den Korridor, zum Raum des Rates der Zehn führt direkt ein Gang. Die Zellen waren immer kalt und feucht, nicht selten standen sie unter Wasser.
Direkt unter dem Bleidach des Palastes befinden sich die sechs „Piombi“, bekannt durch ihren berühmtesten Insassen Giacomo Casanova. Kaum belüftet, war dort die Hitze im Sommer schier unerträglich.
Der Weg der Gefangenen zu ihrer Zelle führte über die Seufzerbrücke, von der ein letzter Blick auf Himmel und Meer möglich war – der Namensursprung ist naheliegend.
Für Nachschub in den Kerkern sorgte die gefürchtete Staatsinquisition, die weniger verirrte Gläubige verfolgte, sondern sich vielmehr auf den Schutz der Republik vor äusseren und inneren Feinden konzentrierte. Unzählige Spitzel und Denunzianten sowie wirkungsvolle Foltermethoden verbreiteten Furcht und Schrecken, verhinderten andererseits aber auch innere Unruhen oder Aufstände und bewahrten so die komplizierten venezianischen Machtverhältnisse.
Nur wenigen Besuchern fallen auf der Westseite des Palastes die beiden rötlichen Säulen in der Loggia auf. Dort wurden alle Todesurteile öffentlich verkündet. Die Hinrichtungen fanden auf der Piazetta zwischen den zwei großen Säulen statt. Heute noch vermeiden Venezianer dort durchzugehen, da dies Unglück bringen soll.