Gondola, Gondola
Vielleicht 500 Gondeln
gibt es noch in Venedig, Überbleibsel einer längst vergangenen Zeit, als über 10.000 Boote die Kanäle befuhren. Heute als zunehmend luxuriöses Freizeitvergnügen vorwiegend japanischer Touristen dienend, war die „Gondola“ über Jahrhunderte ein unersetzliches Arbeits- und Fortbewegungsmittel, perfekt den einzigartigen Gegebenheiten der Lagunenstadt angepasst.
Gut 10 m lang und knapp 1,5 m breit ist das Arbeitsgerät der Gondolieri, trotz seiner 500 kg wird es mit einem einzigen Ruder gelenkt und fortbewegt. Zum Ausgleich für den einseitigen Antrieb ist die Gondel leicht gebogen, an der Steuerbordseite ca. 25 cm kürzer als backbord. Diese Asymmetrie ermöglicht gerade Fahrt und exaktes Steuern in den engen Kanälen.
Obwohl seit 1562 alle Gondeln einheitlich schwarz lackiert sein müssen (ein Dogenerlass gegen maßlosen Prunk), ist doch jede ein Schmuckstück. Der Rumpf besteht aus 280 Teilen mit neun genau definierten Holzarten. An der Spitze sitzt das schwere Bugeisen (Ferro) als Gegengewicht zum achtern stehenden Ruderer. Die charakteristische Form symbolisiert oben die Fischermütze des Dogen, die vorderen Zacken repräsentieren die sechs Stadtviertel Venedigs (San Marco, Dorsoduro, San Polo, Cannaregio, Castello und Santa Croce, der nach hinten gerichtete Zacken steht für die Nachbarinsel Giudecca. Stolz jeden Gondolieris ist seine „Forcola“, die hinten rechts angebrachte Riemengabel, geschnitzt aus einem einzigen Stück Nussbaumholz, individuell angepasst an Körpergröße und Statur des Ruderers. Und so wie Neapolitaner ihre Autoradios über Nacht in Sicherheit bringen, werden auch die „Forcole“ am Abend mit nach Hause genommen. Und noch eine Ähnlichkeit gibt es mit Automobilen: Der Preis einer Gondel entspricht dem eines gehobenen Mittelklassewagens - mit ein Grund, dass das Entgelt für eine halbstündige Gondelfahrt so um die 100 Euro liegt, ohne Nachtzuschlag und Trinkgeld, auch die Gesangseinlage wird extra berechnet.
Auf den gepolsterten Bänken finden bis zu sechs Passagiere Platz, wobei eine solche Besetzung jedoch ziemlich sicher die Laune des Gondolieris stark trüben wird.
Gondelwerkstätten gibt es nur mehr eine Handvoll in Venedig, zu klein ist der Bedarf, zu groß der Aufwand. Meister Lorenzo della Toffola fertigt in seiner Werkstatt nahe der Chiesa San Trovaso vielleicht zwei Gondeln im Jahr, meist ist er mit Reparaturen und Neulackierungen beschäftigt. Er lässt sich beim Arbeiten gern über die Schulter schauen in seiner Werft, die mit ihren blumengeschmückten Holzgebäuden ungefähr so gut nach Venedig passt wie ein Palazzo auf eine Tiroler Alm. Fünf Jahre beträgt die Lehrzeit für einen Gondelbauer, noch anspruchsvoller ist die Anfertigung einer „Forcola“. Das Wissen darüber wird meist in der eigenen Familie weitergegeben – ein lebenslanges Lernen.
Rationalisierung ist im Gondelbau ein Fremdwort, die ca. 500 Arbeitsstunden für den Bau einer Gondel sind pure Handarbeit. Wer aber jemals gesehen hat, wie das Ergebnis dieser Mühe fast schwerelos über das Wasser gleitet, weiß, dass dieser Aufwand gerechtfertigt ist.
Geschichte
Erste gondelähnliche Boote werden schon im 7. Jhdt. beschrieben, ab ca. 1200 entsprechen sie der heutigen Form, mit Ausnahme der mittigen Holzkabine, die bis ca. 1900 die Passagiere vor Wind und Wetter sowie unerwünschten Einblicken schützte. Letzteres machte sich beispielsweise Casanova für seine Amouren zu Nutze, wie in seinen Tagebüchern nachlesen ist.
Ursprünglich ruderten auf den Booten hauptsächlich die „Gondoliere de casada“, Bedienstete einer Adelsfamilie in deren Livree, später entwickelte sich daraus ein „Wassertaxigewerbe“, welches streng in den Zünften der Stadtteile reglementiert wurde. Rivalitäten wurden über Ruderregatten ausgetragen, deren Sieger hohes Ansehen genossen. Aber es gab auch handfestere Auseinandersetzungen, so wie den alljährlich stattfindenden Kampf zwischen den Castellani und Nicolotti um die ihre Stadtteile verbindenden Brücken. In diesem „Guerra dei pugni“, dem Krieg der Fäuste, bei dem aber auch mit spitzen Stöcken gekämpft wurde, gab es nicht wenige Todesopfer, bis er 1705 vom Rat der Zehn verboten wurde.
Friedlicher verläuft der Wettkampf zwischen den Gondoliere der einzelnen Standplätze heute, nämlich auf dem Fußballplatz.
Bucintoro
Dieses prunkvolle Staatsschiff der Serenissima war Symbol der Seeherrschaft Venedigs. Am höchsten Punkt der über und über mit vergoldeten Schnitzereien verzierten Galeere saß der Doge auf seinem Thron, umgeben von den Nobili seines Reiches. Jedes Jahr fuhr das Prachtschiff mit seinen 168 Ruderern am Himmelfahrtstag auf das offene Meer, begleitet von unzähligen weiteren Booten. Dort wurde im Gedenken an einen der ersten großen Seesiege Venedigs im Jahre 997 die „Sposalizio del mare“ zelebriert. Mit den Worten „Disponsamus te, Mare, in signum veri perpetuique dominii“ bekräftigte der Doge die immerwährende Seeherrschaft und warf als Symbol der Vermählung einen Goldring in die Adria.
1798 verblich mit der Eigenständigkeit Venedigs auch der Glanz des Bucintoro – Soldaten Napoleons machten sich plündernd mit Äxten über die herrlichen Schnitzereien Antonio Corradinis her, um sich am Blattgold zu bereichern. Reste des letzten Bucintoros und Modellnachbauten können im Museo Storico Navale besichtigt werden und geben einen Eindruck, wie ihn schon Johann Wolfgang von Goethe 1786 schilderte:
. . . das Schiff ist ganz Zierat, eine wahre Monstranz, sonst zu keinem Gebrauch als dem Volke seine Häupter recht herrlich zu zeigen. Wissen wir doch: das Volk, wie es gern seine Hüte schmückt, will auch seine Obern prächtig und geputzt sehen . . .
Abschließend noch ein kleiner lokalhistorischer Exkurs: Pracht und Glanz des Bucintoro weckte an vielen Fürstenhöfen Europas den Wunsch zum Nachbau eines solchen Prunkschiffes, auch bei Erzherzog Ferdinand von Tirol. Und so ließ dieser im 16. Jahrhundert ein „Alpen-Bucintoro“ bauen, um am Achensee standesgemäß feiern und jagen zu können. Reste oder Bilder dieses fürstlichen Bootes sind leider nicht überliefert.
Traghetto
Eine bei Touristen wenig bekannte Möglichkeit, Gondelluft zu schnuppern, ist das Traghetto. Dieser Fährdienst über den Canale Grande soll den Venezianern lange Umwege über Brücken ersparen und wird von den Gondoliere im Auftrag der Stadtverwaltung angeboten. An acht Stellen verkehren diese Liniengondeln noch, und auch wenn die bis zu zwölf Passagiere stehen müssen, ist es doch eine preisgünstige Möglichkeit zu Gondeln – eine Überfahrt kostet weniger als ein Espresso.