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il torre dell'orologio

Wahrzeichen der venezianischen Weltmacht

Am Höhepunkt seiner Macht war es für Venedig selbstverständlich, seine Macht und Würde durch einen der ersten Uhrtürme zu manifestieren, und es war kein Zufall, dass dieser an der Schnittstelle von kirchlicher, politischer und wirtschaftlicher Macht entstand: Am Eingang zur „Mercerie“, dem Herz des venezianischen Handelsimperiums.

1495 begonnen, wurde der Uhrturm schon am 1. Februar 1499 eingeweiht. Der nach einem Entwurf von Mario Caducci errichtete Renaissancebau bildet den östlichen Abschluss der alten Procuratien. Ein Jahrzehnt lang stand der Turm frei, dann wurden nach Plänen von Pietro Lombardo die ihn nun flankierenden Seitentrakte errichtet, diese 1755 um ein drittes Geschoß erweitert. 1858 erfolgte eine erste, ab 1999 eine weitere umfassende Restaurierung.

Die prächtige Uhr ist Beispiel großer mechani-scher, mathematischer und geometrischer Präzision. Das vergoldete Ziffernblatt zeigt am äußeren Marmorring die Tageszeit an, an den inneren Ringen finden sich die Sternzeichen, der seine Phasen anzeigende Mond und zentral die Erde. Nicht mehr erhalten sind die Planeten, die ursprünglich mit eigenen Bahnringen das Ptolemäische Weltbild symbolisierten.

 

Vom zweiten Geschoß thront die Muttergottes über dem Markusplatz, flankiert von zwei walzenförmigen Stunden- bzw. Minutenanzeigen. Diese wurden erst 1858 hinzugefügt und ersetzten jene beiden Türen, durch die vorher die Prozession der Heiligen Drei Könige, der „Re Magi“, stündlich um die Marienstatue zog. Heute findet dieser Umzug der bemalten Holzfiguren nur mehr zu Dreikönig und Christi Himmelfahrt statt.

Über allem steht im dritten Geschoß der allgegenwärtige Markuslöwe, ursprünglich noch mit dem vor ihm knieenden Dogen Agostino Barbarigo (1486-1501) – dieses Investiturbildnis wurde jedoch nach dem Fall der Seerepublik 1797 entfernt.

Gekrönt wird der Uhrturm von den beiden überlebensgroßen Mohren aus Bronze, die der Serenissima tagaus, tagein die Stunde schlagen. 1497 von Ambrogio della Ancore gegossen, bilden sie mit der Glocke (ein Werk von Meister Simeone) eines der berühmtesten Fotomotive der Welt.

Nach langen Jahren der Restaurierung ist der Uhrturm seit kurzem wieder öffentlich zugänglich. Die mühsame Besteigung durch die engen Treppengänge wird mit einem wahrhaft atemberaubenden Rundblick belohnt.

Der Begriff Zeit im Mittelalter

Bis ins 15. Jhdt. war der Begriff „Zeit“ sehr lose gefasst. Die Tageseinteilung, das „Tagwerk“, richtete sich nach Sonnenunter- und -aufgang, Zeitbestimmung erfolgte durch Sonnen- und Wasseruhren, die Abbrandzeit von Kerzen oder einfach per Hahnenschrei. Einzig im Klosterleben galt eine strengere Einteilung, der Tagesablauf war durch die „Offizien“ genau eingeteilt, wahrscheinlich wurde in Klöstern die mechanische Uhr entwickelt, um tageslichtunabhängig genaue Zeitpunkte festlegen zu können.

Der letzte Uhrturmwärter

Bis zum Beginn der Restaurierung 1998 wohnte im Uhrturm Alberto Peratoner – Uhrmacher, Philosoph und Theologe. Er war der letzte einer langen Reihe von Uhrmachern, die dort aufwuchsen, wohnten und arbeiteten – Hüter der Zeit im Torre dell‘Orologio, wie kaum ein anderer Mensch geprägt vom Phänomen Zeit. Jetzt ist die Einstellung und Überwachung der Pendeluhrmechanik von seinen Händen in jene einer automatisierten Elektronik übergegangen: „Tempora mutantur et nos mutamur in illis“